In Leipzig wird eine neue Burschenschaft gegründet. Hinter dem Projekt stehen eine NPD-nahe Verbindung aus Gießen und neurechte Verbandsbrüder aus Marburg. Einer der Initiatoren ist nach Leipzig gezogen. Er war zuvor in der völkischen und der Neonaziszene aktiv.
„Dresdensia Leipzig“: Was in der neuen Rechtsaußen-Verbindung steckt
Antifaschistischer Jahresbericht 2014 – Marburg
Naziburschenschafter, die „Alternative für Deutschland“ und ein Angriff auf ein Wohnheim von Refugees. Das Jahr 2014 war aus antifaschistischer Perspektive geprägt von aufkeimenden neuen Strukturen der extremen Rechten in Marburg-Stadt und Umland.
Den Jahresbericht als PDF Datei lesen!
Inhalt:
- Einleitung
- Angriffe in Wohratal
- Burschenschaft Germania
- Burschenschaft Rheinfranken
- Alternative für Deutschland
- Lumdatal
- Sarrazin Lesung
- FN Hessen
- NPD
- Die Rechte
- Messerstecherei mit Todesfolge
- Social Media Phänomene
Warum die Burschenschaft Germania kein Naziproblem hat, sondern eines ist
Der letzte Burschentag in Eisenach im Juni 2014 hat eine neue Vorsitzende der Deutschen Burschenschaft (DB), die Burschenschaft Germania Marburg hervorgebracht. Damit steht eine mit Neonazis durchsetzte Vereinigung an der Spitze der Deutschen Burschenschaft.
Bereits im April 2014 wurde die Vernetzung Marburger Burschenschafter mit neonazistischen Aktivisten öffentlich gemacht. Vor allem die Nachbarin der Germania Marburg, die Burschenschaft Rheinfranken machte sich als Nazitreff einen Namen. Dieser Trend setzt sich in der Lutherstraße 3 fort: Auch das Personal der zukünftigen Vorsitzenden Burschenschaft Germania besteht zu einem Gutteil aus Neonazi-Aktivisten.
Die Trennung der beiden extrem rechten Spektren Neue Rechte und Kameradschaften scheint in Marburg nicht mehr zu existieren. Kleinere Neonaziaktionen wie Mobilisierungen, rechte Sticker, klandestine Fackelmärsche und Provokationen vor linken Läden sind keine Seltenheit und werden von einer Mischung aus Neonazis und Burschenschaftern getragen.
Diese Entwicklung ist kein Zufall. Die Germania Marburg stellt Räume, Inhalt und Personal für neonazistische Politik in Marburg und Umgebung. Gleichzeitig hat sie ab Januar den Vorsitz eines bundesweit agierenden extrem rechten Verbandes – der Deutschen Burschenschaft – inne.
Die Marburger Kameradschaft heißt Germania
Die Verstrickung von rechten Aktivisten in der Burschenschaft Germania wird deutlich, wenn man die Aktiven der Burschenschaft vorstellt. Denn vom Neonazikader bis zum neurechten Autor ist alles dabei.
Tobias Sauer ist seit Wintersemester 2013/2014 Mitglied der Germania. Vor seiner Karriere mit Band und Mütze war er Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten Ulm-Heidenheim sowie Gründungsmitglied der AG Schwaben. Die AG Schwaben war eine Neonazistruktur in Baden-Württemberg, die sich als Label für Parteistrukturen und freie Kameradschaften anbot. Tobias Sauer bekleidete in beiden Organisationen wichtige Positionen. Weiterhin war er der Mitbewohner von Andreas Kolb (JN Bundesvorstand) in einer Langenauer Neonazi WG, die gleichzeitig als Treffpunkt der AG Schwaben diente. Bei mehreren Neonaziaufmärschen übernahm er zudem organisatorische Aufgaben, beispielsweise fuhr er den Lautsprecherwagen bei der Neonazi-Demonstration in Friedrichshafen 2008. Der Lautsprecherwagen schien nicht genug, am 18.08.2008 meldete Sauer in Biberach eine NPD-Demo unter dem Motto „Meinungsfreiheit für alle, §130 abschaffen!“ an. §130 StGB besagt, dass Volksverhetzung unter Strafe gestellt ist.
Außerdem war Sauer Protagonist mehrerer gewalttätiger Übergriffe rund um Heidenheim. Zum Beispiel griffen Sauer und andere Neonazis 2008 am Friedrichshafener Bahnhof Teilnehmer_innen einer antifaschistischen Demonstration an.
Als Burschenschafter der Germania Marburg führt er seine rechten Umtriebe fort. Er begleitete noch als Fux (Anwärter) den Stand der Germania Marburg auf dem Zwischentag 2013 – eine extrem rechte Messe – in Berlin. Am Marktfrühschoppen 2014 nahm er bereits als vollwertiger Bursche teil, ebenso als Provokateur am Antikorporierten Stadtrundgang 2014. Der Neonazi-Kader aus dem schwäbischen Hinterland hat also eine neue Heimat in der Lutherstraße 3 gefunden – in einer bundesweiten Vernetzung völkischer Studenten.
Torben Braga wird ab 2015 der neue Sprecher der Deutschen Burschenschaft sein. Er repräsentiert damit den völkischen Verband nach außen – verwaltet den Postverkehr der DB und ist für öffentliche Statements erreichbar. Die extrem rechten Positionen des Verbandes hat er für diesen Job schon seit einigen Jahren parat. Torben Braga ist völkischer Blut und Boden-Nationalist, der aus seiner Gesinnung keinen Hehl macht. So bekennt er in einem Interview freimütig: „Wenn jemand sich zu Deutschland bekennt und deutscher Abstammung ist, kann er bei uns aufgenommen werden.“ Ob derjenige dann aus Polen, Estland oder Russland komme, sei dann aber irrelevant (Quelle). ‚Deutsch sein‘ scheint für Braga eine Frage der Abstammung und der völkischen Zugehörigkeit zu sein. Der Ariernachweis könnte vermutlich auch mit der Germania an der Spitze der Deutschen Burschenschaft zu machen sein.
Seit 2013 studiert er den Master Politikwissenschaft nachdem er von Jena nach Marburg zog. Dort war er Aktiver der Burschenschaft Germania Jena. Heute ist er Bursche und eifriger Fechter bei der hiesigen Burschenschaft Germania Marburg. Passend dazu hatte er bis vor kurzem das Amt des Fechtwarts inne.
Ebenso wie Tobias Sauer begann Patrick Bass seine Karriere im schwäbischen Hinterland. Er war Aktivist der AG Schwaben sowie führender Kopf einer gewaltbereiten Naziclique aus Langenau. In seiner Funktion als Neonazikader nahm er an zahlreichen Naziaufmärschen im ganzen Bundesgebiert teil, so in Dresden 2009, Augsburg 2010 sowie Heilbronn 2011.
Bass durfte als Fux den Stand der Germania auf dem Zwischentag 2013 zusammen mit seinem Bundesbruder Tobias Sauer betreuen. Auch er nahm am Marktfrühschoppen 2014 teil, nun als vollwertiges Mitglied der Germania Marburg. Zusammen mit Sauer scheint Bass ein unzertrennliches Duo abzugeben – ihre gemeinsame Geschichte als Aktivisten der AG Schwaben setzt sich in der Burschenschaft Germania fort.
Philip Stein wurde schon im April 2014 der Marburger Öffentlichkeit vorgestellt: „Ein weiterer Aktivist der Burschenschaft Germania ist Philip Stein. Der Aktivensprecher und Schriftwart ist stark mit der Neuen Rechten um den Publizistenkreis Felix Menzel und Götz Kubitschek vernetzt. Er schreibt zahllose Artikel für nahezu alle neurechte Organe und veröffentlichte Ende 2013 ein Buch mit Menzel. Der dünne Band fantasiert eine rechte und nationalistische Revolution herbei und erschien im Eigenverlag der extrem rechten Zeitschrift „Blauen Narzisse“ (BN). Er ist weiterhin Organisator und Koordinator für Vortragsveranstaltungen und nimmt als Sprecher eine zentrale Rolle in den Aktivitäten der Burschenschaft ein. Stein studiert Geschichte an der Uni Marburg, stammt aus dem nahen Schwalm Eder Kreis. Nicht nur als zentrale Schlüsselperson der Neurechten Szene in Marburg wurde er auffällig, die Vernetzung in die Neonaziszene wird immer offensichtlicher: Im Februar 2014 verteilte er Werbematerial zum Neonaziaufmarsch in Dresden. Er wohnt im Haus der Germania in der Lutherstr.3.“
Seit diese Zeilen veröffentlicht wurden, konnte Stein noch zu seinem eigenen Nazivorwurf in einem weiteren Buch der BN Stellung nehmen. Dort offenbart er, dass er kein Problem damit hat ein Neonazi zu sein. Gesagt, getan: Er betreute 2014 auf der extrem rechten Messe Zwischentag in Bonn den Stand der Blauen Narzisse.
Ein weiterer Aktivist der rechten Burschenschaft ist Markus Schreiber. Er gefällt sich am besten in der Rolle des völkischen Wanderkönigs. Zum ersten Mal wurde er 2011 mit dem Band der Germania auffällig. Beim Burschenaufmarsch der DB in Innsbruck 2013 hatte Schreiber sogar die Ehre, in der ersten Reihe zu laufen und das Fronttransparent zu halten, auch war er als Delegierter der Germania auf dem Burschentag 2014 in Eisenach zugegen. Der ehemalige Thüringer Schreiber ist weiterhin Mitglied der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen (JLO), der früheren Jugendorganisation des Vertriebenenverbandes Landsmannschaft Ostpreußen. Die JLO gilt als extrem rechter Jugendverband, der lange Jahre den Neonazi-„Trauermarsch“ im Februar in Dresden anmeldete. Schreibers Aktivismus setzt sich in der Neonazi-Villa Germania fort, und das in passender Gesellschaft.
Was das bedeutet
Wie die Aufstellung der Burschenschafter bis hierhin zeigt, ist es offensichtlich, dass die neue Vorsitzende der DB sich aus Neonazi-Kameradschaften und deren Umfeld rekrutiert. Sie stellt Räume und Personal für völkische Politik in Marburg und im bundesweiten Rahmen. Dagegen hilft nur antifaschistischer Widerstand.
Die Burschenschaft Germania hat kein Naziproblem, sondern sie ist eines!